HYPERMADE CULTURE MAGAZINE

INTERVIEW
Die Intimität des Augenblicks

Der Fotograf Davide Edoardo zwischen Porträtpoesie und visueller Intimität
D
“Bad Boy Charm” – MMSCENE magazine publication

© Taschen Verlag

“Bad Boy Charm” – MMSCENE magazine publication
Portraits
“That Day At The Beach” – Kaltblut Magazine Publication
Breeze by the sea
“A Sailor in Tangier”, currently on view in the Portrait Exhibition at the Glasgow Gallery of Photography (May 10 – June 20)
FW25 Francesco Murano Fashion Show
FW25 Antonio Marras Backstage
Where Have All The Flowers Gone“ – 1883 Magazine Publication
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In zehn Antworten spricht der Fotograf Davide Edoardo auf HYPERMADE über Vertrauen, Blickführung und die stille Kraft visueller Intimität.

HYPERMADE: Lieber Davide, wie entsteht ein Projekt wie Bad Boy Charm? Beruht es auf einer ästhetischen Intuition oder eher auf einer erzählerischen Idee?

Davide Edoardo: Ich würde sagen, es begann vor allem mit einer ästhetischen Intuition. Wenn ich fotografiere, starte ich meist mit einer Grundidee und dem Ziel, die Strecke auf einer bestimmten Plattform zu veröffentlichen (in diesem Fall MMScene). Doch Projekte wie dieses entstehen immer sehr spontan: Oft arbeite ich mit Menschen zusammen, die mich über Social Media kontaktieren und bei denen ich ein interessantes Potenzial sehe.

HYPERMADE: Was suchst du in einer Person, noch bevor du sie fotografierst?

Davide Edoardo: Ein Gesicht, das allein mit einem Blick etwas mitteilen kann.

Porträt von drei jungen Männern in schwarzen Tanktops am Strand – Schwarzweißfoto von Davide Edoardo
„Jener Tag am Strand“ – veröffentlicht im Kaltblut Magazine
Mit freundlicher Genehmigung von Davide Edoardo

HYPERMADE: Wie ist dein Verhältnis zur Verführung im Bild? Ist sie ein Nebeneffekt oder ein Ziel?

Davide Edoardo: Verführung ist ein wichtiger Aspekt. Wenn ich fotografiere, muss sich die Person wohlfühlen, mir vertrauen und wissen, dass sie sich in einem sicheren Raum befindet. Doch durch das Objektiv ist ihr bewusst, dass sie für jemanden posiert, der das Bild später sehen wird. Einen Raum zu schaffen, in dem sie auf natürliche Weise „verführen“ kann, ist für mich eine Priorität. Im Fall von Bad Boy Charm, das exklusiv bei MMScene veröffentlicht wurde, trat die verführerische Seite des Models sofort hervor und wurde zu einem erklärten Ziel.

HYPERMADE: Wie würdest du deine Arbeitsweise beschreiben: eher instinktiv oder eher konstruiert?

Davide Edoardo: Das hängt vom Kontext ab. Grundsätzlich plane ich als Mode- und Porträtfotograf gerne: Ich entwickle ein Moodboard und setze das Bild dann im Studio um. Doch die wahre Magie, das Unerwartete, entsteht durch die Interaktion am Set. Manchmal fotografiere ich aber auch gerne in „Live“-Kontexten, etwa bei Performances befreundeter Künstler oder Backstage bei Modenschauen: Dort sind Models bereits gestylt und vorbereitet von professionellen Teams. Für mich fühlt sich das an wie ein Filmset, und ich genieße es, spontane Aufnahmen einzufangen.

HYPERMADE: Deine Porträts scheinen sich oft um die Präsenz des Körpers zu drehen. Welche Rolle spielt er für dich?

Davide Edoardo: Das kommt auf die Art des Shootings an. Das Porträt ist meine große Leidenschaft: Ich bin vom Gesicht, den Ausdrücken und Blicken fasziniert. Aber in der Modefotografie macht der Körper ein Bild oft dynamischer und interessanter. Deshalb beschäftige ich mich in letzter Zeit immer intensiver damit.

Junger Mann lehnt an einer Wand, fotografiert durch die geöffnete Tür eines Oldtimers – Schwarzweißfoto von Davide Edoardo
„Ein Matrose in Tanger“ – derzeit ausgestellt in der Glasgow Gallery of Photography (10. Mai – 20. Juni)
Mit freundlicher Genehmigung von Davide Edoardo

HYPERMADE: Was lässt dich bei einem Shooting sagen: „Das ist der richtige Moment“?

Davide Edoardo: Selbst während ich erkläre, was ich erreichen möchte, sehe ich oft einen Blick, eine Pose oder ein Detail, das mich berührt. Deshalb halte ich die Kamera immer bereit: Ich fotografiere manchmal während des Gesprächs oder bitte um die Wiederholung eines Ausdrucks. Viele Menschen, vor allem wenn sie keine Models sind, verkrampfen sich vor der Kamera. Sie wählen „sichere“ Posen, in denen sie gut aussehen – das wird schnell monoton. Ich hingegen versuche, Situationen zu variieren und auch unerwartete Momente einzufangen.

HYPERMADE: Welche visuellen Referenzen empfindest du als nah – auch außerhalb der Fotografie?

Davide Edoardo: Sicherlich die filmischen. In der Fotografie bewundere ich große Meister der Vergangenheit und Gegenwart – von Helmut Newton über Peter Lindbergh und Albert Watson bis hin zu Paul Kooiker, Jack Davison und Nadia Lee Cohen. Auch Fotografen „hinter den Kulissen“ wie Tazio Secchiaroli schätze ich sehr – einer der Italiener, die den Begriff „Paparazzo“ inspirierten, geprägt von Fellini in *La Dolce Vita*. Später wechselte er zu „glänzender“ Studiofotografie. Einige seiner Aufnahmen von Sophia Loren, mit der ihn eine Freundschaft verband, sind großartig. Ich liebe auch die Arbeit der Magnum-Fotografen, besonders jene, die am Filmset intime Momente oder die Vorbereitung der Schauspieler einfingen. Ich erinnere mich, dass ich als Junge ein Buch mit solchen Fotos hatte – ich habe es unzählige Male durchgeblättert…

HYPERMADE: Gibt es etwas, das du bewusst in deinen Bildern vermeidest?

Davide Edoardo: Ich versuche, Trends zu vermeiden, die auch in der Fotografie sehr präsent sind.

Schwarzweißporträt eines oberkörperfreien Mannes, der sein Gesicht mit dem Arm verdeckt. Getrocknete Gänseblümchen und Blätter hängen von seinem Rücken.
„Where Have All The Flowers Gone“ – veröffentlicht im 1883 Magazine
Mit freundlicher Genehmigung von Davide Edoardo

HYPERMADE: Wie verändert sich deiner Meinung nach die Darstellung von Männlichkeit heute?

Davide Edoardo: Soziale Medien haben heute großen Einfluss auf die Darstellung von Männlichkeit – oft verbunden mit einer gewissen erotischen Anspielung, weil sie Engagement erzeugt. Wenn aber nicht gezielt ein erotisches Ziel verfolgt wird, bevorzuge ich es persönlich, eine Sanftheit und Zartheit zu zeigen, die visuell mit einem starken Körperbau oder markanten Look kontrastiert.

HYPERMADE: Was bedeutet Fotografie für dich in diesem Moment deines Lebens?

Davide Edoardo: Sie ist wie Atmen. Jahrelang habe ich etwas anderes gemacht: eine schöne Karriere in der Mode – ich war im Produktbereich tätig –, aber ich hatte immer eine Kamera in der Tasche. Nach der Pandemie wurde der Wunsch, die Leidenschaft zum Beruf zu machen, immer stärker. Am Ende habe ich den Mut gefunden, weil es zu einem inneren Bedürfnis wurde, das ich nicht länger ignorieren konnte.

HYPERMADE: Danke, Davide, für deine Zeit, deine Gedanken und deinen ehrlichen Blick durch das Objektiv.

Im Porträt Davide Edoardo

Self-portrait of Davide Edoardo
Davide Edoardo
Mit freundlicher Genehmigung von Davide Edoardo

Davide Edoardo ist ein italienischer Fotograf mit Sitz in London. Nach einer langen Erfahrung in der Modebranche entschloss er sich 2023, seine Leidenschaft für die Fotografie, die ihn seit seiner Kindheit begleitet, zum Beruf zu machen. Seine Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf Porträt- und Modefotografie, nimmt aber häufig auch einen dokumentarischen Charakter an – etwa bei Backstage-Aufnahmen von Modenschauen oder wenn er hinter den Kulissen eines Musikvideos oder anderer Veranstaltungen fotografiert. Seine Bilder, überwiegend in Schwarz-Weiß, erzählen eine Geschichte – auch durch ein einfaches Porträt: Sie sind schlicht, aber ausdrucksstark.

Kontakt
Instagram:
@monsieurdavid
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