Swjatoslaw Teofilowitsch Richter war einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts. Sein Leben und seine Kunst waren geprägt von den politischen und kulturellen Umbrüchen seiner Zeit. Er wurde 1915 in Schitomir, heute Ukraine, als Sohn eines deutschen Organisten und einer russischen Kaufmannstochter geboren. Er wuchs zweisprachig auf und erhielt eine musikalische Ausbildung von seinen Eltern. Er brachte sich das Klavierspielen weitgehend selbst bei und debütierte als Pianist mit 19 Jahren in Odessa.
1937 ging er nach Moskau, wo er bei dem berühmten Klavierpädagogen Heinrich Neuhaus studierte, der ihn als Genie bezeichnete. Er freundete sich mit Sergei Prokofjew an, der ihm drei seiner Klaviersonaten widmete. Er wurde zu einem gefeierten Künstler in der Sowjetunion, durfte aber lange Zeit nicht ins Ausland reisen, da er deutsche Verwandte hatte. Sein Vater wurde während der Stalin-Ära als Spion hingerichtet, seine Mutter emigrierte nach Deutschland.
Erst 1960 erhielt er die Erlaubnis, in den Westen zu gehen, wo er sofort als Sensation gefeiert wurde. Er spielte in den großen Konzertsälen der Welt, unter anderem mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan. Er war bekannt für seine enorme Virtuosität, seine klangliche Sensibilität und seine unkonventionelle Interpretation. Er beherrschte ein riesiges Repertoire, das von Bach bis zu zeitgenössischen Komponisten reichte. Er hatte eine besondere Affinität zu Schubert, Schumann und Brahms, deren Werke er mit großer Tiefe und Ausdruckskraft spielte.
Richter war jedoch kein Star im herkömmlichen Sinne. Er scheute das Rampenlicht und die Medien. Er hasste es, Konzerte lange im Voraus zu planen oder Studioaufnahmen zu machen. Er spielte lieber in kleinen, dunklen Räumen beim Licht einer Stehlampe und nach Noten. Er gründete ein eigenes Festival in einer alten Scheune in Frankreich, wo er mit befreundeten Musikern kammermusizierte. Er war ein eigenwilliger und kompromissloser Künstler, der immer nach neuen Herausforderungen suchte.
Richter starb 1997 in Moskau im Alter von 82 Jahren. Er hinterließ ein reiches musikalisches Erbe, das bis heute fasziniert und inspiriert. Er war ein Pianist zwischen Ost und West, der die Grenzen der Musik überschritt und neue Horizonte eröffnete.