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Walter Gropius – Architekt der Moderne

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Walter Gropius war einer der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Er gilt als Begründer der Bauhaus-Bewegung, die Kunst, Handwerk und Technik miteinander verband und eine neue Ästhetik für die Industriegesellschaft schuf. Gropius war nicht nur ein visionärer Gestalter, sondern auch ein engagierter Lehrer, der Generationen von Architekten und Designern inspirierte.

Gropius wurde am 18. Mai 1883 in Berlin geboren. Sein Vater war ein renommierter Architekt, der ihm das Interesse für das Bauwesen vermittelte. Nach dem Abitur studierte Gropius zunächst Architektur in München, wechselte aber bald an nach Berlin. Dort lernte er unter anderem Peter Behrens kennen, der ihn als Mitarbeiter in seinem Büro anstellte. Bei Behrens arbeitete Gropius zusammen mit anderen später berühmten Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier.

Gropius machte sich bald einen Namen als talentierter und innovativer Architekt. Er entwarf unter anderem das Fagus-Werk in Alfeld an der Leine, das als eines der ersten Beispiele für den funktionalen und expressionistischen Stil gilt. Er experimentierte mit neuen Materialien wie Stahl, Glas und Beton und legte Wert auf klare Formen, offene Grundrisse und viel Licht. Er war auch an der Planung von Großsiedlungen wie dem Siemensstadt in Berlin beteiligt, die den sozialen Ansprüchen der Arbeiter gerecht werden sollten.

Der Erste Weltkrieg unterbrach Gropius‘ Karriere als Architekt. Nach dem Krieg kehrte er nach Berlin zurück und übernahm die Leitung der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar. Er beschloss, diese mit der benachbarten Kunstgewerbeschule zu vereinen und gründete so 1919 das Bauhaus.

Das Bauhaus war eine revolutionäre Schule für Kunst, Architektur und Design, die einen radikalen Bruch mit den traditionellen akademischen Normen vollzog. Gropius wollte eine neue Einheit von Kunst und Leben schaffen, die den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft entsprach. Er formulierte das Programm des Bauhauses in seinem berühmten Manifest: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! … Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! … Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.“

Gropius rekrutierte einige der bedeutendsten Künstler seiner Zeit als Lehrer für das Bauhaus, darunter Paul Klee, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy. Er organisierte die Ausbildung in zwei Phasen: eine Vorkurs, in dem die Schüler die Grundlagen von Form, Farbe und Material lernten, und eine Werkstattphase, in der sie sich auf eine bestimmte Disziplin wie Tischlerei, Weberei oder Metallbearbeitung spezialisierten. Er förderte die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Werkstätten und die Entwicklung von Prototypen für industrielle Produktion.

Das Bauhaus war jedoch nicht nur eine Schule, sondern auch eine kulturelle Bewegung, die zahlreiche Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen organisierte. Es entwickelte einen eigenen Stil, der sich durch geometrische Abstraktion, Typografie und Fotomontage auszeichnete. Es entwarf Möbel, Lampen, Geschirr und andere Gebrauchsgegenstände, die bis heute als Ikonen des modernen Designs gelten.

Das Bauhaus stieß jedoch auch auf Widerstand von konservativen und nationalistischen Kräften, die es als undeutsch und bolschewistisch ansahen. 1925 musste es Weimar verlassen und zog nach Dessau um, wo Gropius ein neues Gebäude für die Schule entwarf. Dieses gilt als eines seiner Meisterwerke und zeigt seine Vorstellung von einer organischen Verbindung zwischen Architektur und Funktion.

1928 verließ Gropius das Bauhaus aus persönlichen und beruflichen Gründen. Er widmete sich wieder seiner eigenen architektonischen Praxis und entwarf unter anderem das Hauptgebäude der Universität Bagdad im Irak. Er engagierte sich auch politisch für den Frieden und die internationale Zusammenarbeit zwischen Architekten. Er war einer der Gründer des Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM), einer Organisation, die sich für eine rationale und soziale Architektur einsetzte.

1934 musste Gropius Deutschland verlassen, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren. Er emigrierte zunächst nach England und dann nach Amerika. Dort lehrte er an der Harvard University und beeinflusste eine ganze Generation von amerikanischen Architekten wie Philip Johnson oder Ieoh Ming Pei. Er gründete auch zusammen mit Marcel Breuer das Architekturbüro The Architects Collaborative (TAC), das zahlreiche Projekte in den USA und weltweit realisierte.

Gropius starb am 5. Juli 1969 in Boston im Alter von 86 Jahren. Er hinterließ ein umfangreiches Werk, das mehr als 500 Bauten umfasst. Er gilt als einer der Pioniere der modernen Architektur, die sich durch Funktionalität, Rationalität und Einfachheit auszeichnet. Er prägte auch den Begriff des „Gesamtkunstwerks“, der eine Synthese aller künstlerischen Ausdrucksformen bezeichnet.

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