HYPERMADE CULTURE MAGAZINE

INTERVIEW
August Zirner über Kunst, Herkunft und das Leben dazwischen

Teil 4/6
Rampenlicht, Zweifel – und der Mut zur Unvollkommenheit
A
August Zirner – Actor and Musician with Flute
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In sechs Teilen erzählt August Zirner auf HYPERMADE von Sprache, Verantwortung und dem feinen Unterschied zwischen Ausdruck und Wirkung.

HYPERMADE: Sich selbst haben Sie einmal als „Freund der unterschätzten Protagonisten“ bezeichnet. Trifft das auch auf Ihre Rollenwahl zu – reizen Sie Figuren, die leise im Hintergrund agieren und sich erst bei genauerem Hinsehen offenbaren?

AUGUST ZIRNER: Ich habe mich selber als „Freund der unterschätzten Protagonisten“ einmal präsentiert? Offensichtlich war das wieder mal ein Fall von falscher Bescheidenheit… Tut mir leid, ich bitte vielmals um Entschuldigung! Manchmal ist offensichtlich meine Formulierungslust größer als meine Aufrichtigkeit.

HYPERMADE: Von einer „Nahtstelle zwischen Sprache und Musik“ war in einem Interview mit Ihnen die Rede – sowie vom Wunsch, dass Künstler mit ihrer Seele und allem, was ihnen zur Verfügung steht, erzählen. Bedeutet das für Sie auch, dass Sie sich künstlerisch eher als Teil eines größeren Dialogs sehen – und nicht als Solist?

AUGUST ZIRNER: Die Nahtstelle ist bei mir eher, dass ich mit Händen und Füßen und allem, was mir zur Verfügung steht, versuche, Geschichten zu erzählen. Aber wie ich schon am Anfang des Interviews geschrieben habe, bin ich ja eher eine Rampensau. Also ein Solist. Aber ich bin zu lange in dem Beruf, um nicht zu wissen, wie sehr man von den Partner:innen abhängt. Dialog ist entscheidend!
Der Satz: „Man ist nur so gut wie sein Partner“ ist zwar banal, aber er trifft jede Form von öffentlicher Darstellung auf den Punkt.

HYPERMADE: Welche Rolle spielt für Sie die Interaktion mit anderen auf der Bühne – musikalisch, sprachlich oder emotional?

AUGUST ZIRNER: Das habe ich, glaube ich, bei der vorherigen Frage schon beantwortet. Dialog ist alles!

HYPERMADE: Welche Rolle spielt das Scheitern im künstlerischen Prozess? Ist es Hindernis – oder Voraussetzung für Wahrheit?

AUGUST ZIRNER: Fail, fail again, fail better! Scheitern und Fehler machen ist ganz wichtig. Vor allem der geduldige Umgang damit; man sagt ja auch: aus Fehlern lernt man. Aber das stimmt.

HYPERMADE: Regisseure wie Margarethe von Trotta oder Sandra Nettelbeck, sagten Sie, haben Sie mit ihrer Kritik wirklich weitergebracht. Erinnern Sie sich an einen Moment, in dem eine solche Rückmeldung oder ein Misserfolg zu einer Erkenntnis über sich selbst geführt hat?

AUGUST ZIRNER: Ja, auf jeden Fall! Als Margarethe von Trotta mir mal gesagt hat, ich soll mich nicht selber unterbrechen und kontrollieren, sondern das ihr überlassen. Schlagartig habe ich begriffen, wie wichtig Vertrauen ist und sich in die Hände eines guten Regisseurs oder einer Regisseurin zu begeben; einfach zu spielen und die Beurteilung Anderen zu überlassen. Und bei Sandra Nettelbeck war es, als sie mir gesagt hat, ich soll ein bisschen weniger Quatsch machen und blödeln, denn es steht meinem echteren Ausdruck eher im Wege.

HYPERMADE: In Filmen wie „Die Fälscher“ oder „Wut“ begegnen wir Figuren, die in ihrer Verletzlichkeit fast unangenehm greifbar werden. Was bleibt von solchen Rollen in Ihnen zurück – auch Jahre später?

AUGUST ZIRNER: Dass sie unangenehm greifbar sind.

HYPERMADE: Gibt es ein Werk, einen Entwurf oder eine Idee, die nie an die Öffentlichkeit kam – aber für Sie selbst eine besondere Bedeutung hat?

AUGUST ZIRNER: Meine verschwiegenen Memoiren.

HYPERMADE: Gibt es für Sie Momente – auf der Bühne, im Leben, in der Musik –, in denen die Zeit stillsteht?

AUGUST ZIRNER: Ja! Gott sei Dank!

HYPERMADE: Sie arbeiten mit Musik, Sprache, Ausdruck – alles flüchtige Medien. Was bedeutet Stille für Sie? Gibt es eine Kunst der Stille?

AUGUST ZIRNER: Unbedingt! Und leider beherrsche ich sie überhaupt nicht!

HYPERMADE: Die Stille, sagten Sie einmal, sei für Sie schwer zu ertragen. Was stört Sie daran – die erzwungene Ruhe oder die Erwartung, dass sie etwas bedeuten müsse?

AUGUST ZIRNER: Die Erkenntnis, dass ich in der Stille und durch die Stille auf mich hören muss. Und wirklich das zum Ausdruck bringe, was in mir wohnt. Die stille Forderung, aufrichtig zu sein; daran scheitere ich tagtäglich. Aber ich gebe nicht auf.

HYPERMADE: Wie hat sich Ihr Verhältnis zur Zeit verändert – auf der Bühne, im Leben, im Rückblick?

AUGUST ZIRNER: Die Zeit rast! Es gibt noch viel zu tun. Hoffentlich reicht die Zeit.

Nachklang

Vielleicht ist es gerade diese flüchtige Mischung aus Lautstärke und Stille, aus Geste und Gedanken, aus Rampenlicht und Rückzug – in der August Zirner seine eigene Sprache findet. Eine Sprache, die nicht immer laut, aber stets wahrhaftig ist.

Der fünfte Teil erscheint am 14.06.2025.

Über Zugehörigkeit, Wurzeln – und das Unsichtbare zwischen den Linien.

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