HYPERMADE CULTURE MAGAZINE

LITERATUR
Darf Erotik schön sein?

Buchbesprechung zu Hokusais „Shunga“
D
Hokusai Erotic Art Collection
Hokusai Shunga Collector’s Edition
Hokusai Shunga Interior Page
Hokusai The Art of Desire
Hokusai Shunga Erotic Print
Hokusai Shunga Bathing Scene
Hokusai Shunga Intimate Couple
Hokusai Shunga Red Background Scene
previous arrow
next arrow
Profilbild von Michael JankeMichael Janke
BEITRAG ANHÖREN
0:00 / 0:00
 

Hokusais Shunga zeigen Körper in Bewegung – nicht als Provokation, sondern als Spiegel einer Kultur, in der Intimität, Macht und Ästhetik untrennbar verbunden sind.

Das Buch versammelt eine Sammlung erotischer Holzschnitte, die in dieser Geschlossenheit bislang nur selten zugänglich war. Hokusais Shunga entfalten darin eine Welt zwischen Intimität, Spiel und handwerklicher Raffinesse. Dieser Teil seiner Werke wurde bisher oft marginalisiert. Die klare Gestaltung und der ruhige Rhythmus der Bildstrecken geben dem Betrachter Raum, sich diesen Werken ohne vorgefertigte Deutungsrahmen zu nähern. So entsteht ein stiller Dialog zwischen Blick, Papier und Körperlichkeit, der eher mit atmosphärischer Präsenz als mit Aufdringlichkeit arbeitet.

Open Hokusai Shunga art book showing erotic woodblock print of a couple
Hokusai – Shunga Erotic Print
© Taschen Verlag

Dokumentation oder Interpretation?

Andreas Marks erschließt das Genre in den begleitenden Texten mit Sorgfalt und großer Sachkenntnis. Besonders die kunsthistorische Kontextualisierung der Drucktechniken, stilistischen Wandlungen und Marktmechanismen hebt dieses Buch von einer bloßen Reproduktion ab. Gleichzeitig zeigt sich an manchen Stellen, wie schwierig es ist, bei historischen Zeugnissen den Spagat zwischen Dokumentation und Interpretation zu meistern. Nicht alle Zuschreibungen zu Hokusai halten einer streng quellenkritischen Sicht der heutigen Zeit stand – und manche Werke aus seiner Werkstatt erscheinen präsenter, als es die Quellenlage hergibt.

Open Hokusai Shunga art book showing erotic bathing scene woodblock print
Hokusai – Shunga Bathing Scene
© Taschen Verlag

Leerstelle Gewalt

Auch bei der inhaltlichen Kommentierung ist eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten. Zwar werden problematische Motive wie Gewaltdarstellungen oder groteske Szenen erwähnt, jedoch oft ohne explizite Einordnung. Dies mag der historischen Distanz geschuldet sein – allerdings wird so die Chance vertan, heutige Leser für die Ambivalenz dieser Darstellungen zu sensibilisieren. Ebenso bleibt die idealisierte Gegenüberstellung von westlicher Prüderie und japanischer Auffassung von Erotik ein kulturhistorisches Narrativ, das differenzierter beleuchtet werden könnte.

Open Hokusai Shunga art book showing intimate couple scene in woodblock print
Hokusai – Shunga Intimate Scene
© Taschen Verlag

Kein Beiwerk, sondern Ausdruck

Dennoch ist „Hokusai. Shunga” ein wichtiger Beitrag zur Rezeption ostasiatischer Bildkultur. Er eröffnet einen Blick auf ein oft ausgeklammertes Genre und ermöglicht eine Auseinandersetzung, die über bloße Bewunderung hinausgeht. Die Shunga werden nicht als Kuriosität präsentiert, sondern als kulturelle Ausdrucksform mit eigener Würde. Gerade in der Zurückhaltung liegt ihre stille Stärke: Das Buch erklärt nicht alles, zeigt aber, wo noch Fragen offen sind – und warum es sich lohnt, sie zu stellen.

LESETIPP

Hokusai. Shunga, Andreas Marks, TASCHEN 2025, 480 Seiten, 100 €.
Zum Buch auf taschen.com

Compliance

Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Die Darstellung und Bewertung von HYPERMADE bleibt davon unabhängig und basiert ausschließlich auf dem Inhalt des Buches.

HYPERMADE CULTURE MAGAZINE
Consent Management Platform von Real Cookie Banner