Widerstand durch Umkehrung
Georg Baselitz hat die Kunstwelt mit einer scheinbar simplen, aber tiefgreifenden Intervention irritiert: der Umkehrung des Motivs. Seit den 1960er Jahren malt er Köpfe, Figuren, Bäume und Symbole auf den Kopf – nicht als Gag, sondern als bewusste Geste gegen Konventionen. Der Raum wird aufgelöst, Ordnungen zerbrechen, das Bild verweigert sich seiner eigenen Lesbarkeit. Schon früh provozierte Baselitz mit obszönen Darstellungen, gebrochenen Heldenfiguren und zersplitterten Bildzonen. Später folgten „Remixe“ früherer Arbeiten, in denen er seine eigenen Bildwelten zitierte, dekonstruierte und in ein neues Licht rückte – als Dialog mit sich selbst über die Zeit hinweg.

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Das Bild als Kampfplatz der Gegensätze
Was Baselitz malt, ist nie harmonisch. Farbe wird eingesetzt, um zu stören, nicht um zu schmücken. Eine rote Fläche links fordert eine grüne rechts, die Disharmonie wird zum Prinzip. Seine Bilder verweigern sich der glatten Vollendung, sie bleiben roh, aufgerissen, fragmentarisch. In dieser Ästhetik des Unfertigen wird die Abwesenheit von Schönheit zur künstlerischen Aussage. Baselitz bringt Orangenesser und sowjetische Propagandabilder ins gleiche Format, malt mit den Fingern oder verwendet Korkenabdrücke als absurden Pointillismus. Das setzt sich in seinen Skulpturen fort – grob mit Axt und Säge behauen, später auch in Bronze gegossen, aber so leicht inszeniert, dass sie dem Material zu widersprechen scheinen.

Foto: Eva Mongi-Vollmer © Taschen Verlag
Ironie als Konstante im Werk
Baselitz denkt nicht in Stilen, sondern in Brüchen. Seine Ironie richtet sich gegen politische Dogmen ebenso wie gegen den Kunstbetrieb. Ob mit auf den Kopf gestellten Porträts oder bewusst deplatzierter Symbolik – etwa Reitermotiven, die ein Hakenkreuz bilden – stellt er kulturelle Ordnungen in Frage, ohne neue zu etablieren. Die Rückgriffe auf deutsche Geschichte, Heldenmythen oder Kunsttraditionen sind nie affirmativ, sondern Spiegelungen mit Sprung. Baselitz unterläuft Bedeutungen so konsequent, dass keine Theorie sie vollständig erklären kann. Stattdessen entsteht eine Haltung: ein gnomisches Denken, das sich jeder Vereinnahmung entzieht.

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Ein Werk jenseits aller Schulen
Baselitz gehört keiner Schule an – und gründet auch keine. Seine Kunst bleibt ein Solitär, geboren aus persönlichen Erfahrungen und historischen Brüchen. Zwei Erlebnisse aus seiner Kindheit haben ihn geprägt: der Fund slawischer Urnen im Boden seines Heimatdorfes, der seine deutsche Identität erschütterte, und die Beobachtung eines Jungen, der sich beim Sprechen in den Arm biss – eine körperliche Rückkopplung von Gefühl und Sprache. Vielleicht liegt gerade darin die Stärke von Baselitz’ Werk: Es denkt nicht über Kunst nach, es fühlt mit ihr. Die Monographie bleibt dabei nicht stehen, sie tastet sich vor – wie das Werk selbst, das in jedem Fragment mehr über seine Herkunft sagt als in jeder Erklärung.
Daten
Originaltitel | Georg Baselitz |
Herausgeber | Hans Werner Holzwarth |
Verlag | Taschen Verlag |
Einband | Hardcover |
Seiten | 616 |
Sprache | Deutsch, Englisch, Französisch |
Abmessungen | 25 x 33.4 cm |
ISBN | 978-3-8365-9910-8 |
Preis | 75 € |
Weitere Informationen
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Compliance
Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Die Darstellung und Bewertung von HYPERMADE bleibt davon unabhängig und basiert ausschließlich auf dem Inhalt des Buches.